Neuigkeiten-Archiv

August
29. August 2001
Bei der Uni half nur wildes Diskutieren und Penetranz ("jedenfalls gehen wir jetzt hier nicht mehr weg") - natürlich habe ich wichtige Unterlagen nicht, die hat mir die Dame der chinesischen Botschaft in Berlin anscheinend nicht ordnungsgemäß wiedergegeben. Was soll's, irgendwann hatten wir ein Zimmer - 604 - und konnten nur noch das Bett sehen. Hier sind sonst fast nur Koreaner und Japaner, übrigens...
31. August 2001
Die Errungenschaft von heute ist Telefon auf dem Zimmer. Herr Gu hat heute früh versucht uns anzurufen und dabei festgestellt, daß unser Telefon tot ist. Gleich kam also ein Elektriker (wir beide immer noch im Bett) und bastelte es an. Vorhin haben wir dann durch nachfragen rausbekommen, was unsere Telefonnummer ist: 0086-21-52581076.
Außerdem wurden wir heute für den Chinesischkurs eingestuft. Wir sollten selbst sagen, ob wir in den Grundkurs, 2. Semester, oder in das erste Semester der Mittelstufe wollen. Wir haben dann den mittleren Kurs genommen, weil wir ja in den drei Monaten viel lernen wollen. Man kann wohl in der ersten Woche auch noch wechseln, wenn es zu schwer ist.
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September
2. September 2001
Heute war ein ruhiger Tag. Wir haben früh die Bücher abgeholt. Sieben Stück! Ganz verschiedene für Konversation, Lesen, Hören, Schreiben und ein allgemeines Lehrbuch. Toll. Vom Inhalt her gehts, die meisten Zeichen können wir schon. Mal sehen, wie der Unterricht wird.
4. September 2001
Der Unterricht hat angefangen. Nun haben wir immer viel zu tun. Wow, ganz schön anstrengend. Meine Mitbewohnerin Edith sieht beim Lernen übrigens so aus.
6. September 2001
Heute haben wir uns Fahrräder gekauft! Immer zuhause zu sitzen und zu lernen ist einfach zu schlimm, da wird man ja wahnsinnig. Keine Ahnung, wie die anderen das machen. Jedenfalls können wir uns jetzt auch mal ein bißchen bewegen. Und uns die Stadt anschauen. Auf jeden Fall ist Radfahren hier total cool, aber darüber schreib ich bestimmt nochmal eine Geschichte.
7. September 2001
Ab heute habe ich endlich einen chinesischen Namen. Er heißt "Xie Jia", aber dran denken, "Xie" ist der Nachname und "Jia" der Vorname. "Xie" bedeutet "Dank" und ist ein normaler chinesischer Familienname. "Jia" heißt "schön, ausgezeichnet" - das ist ein guter Vorname. Es soll ein bißchen so klingen wie "Tatjana Scheffler", aber es kann ja nicht so viele Silben haben (chinesische Namen haben normalerweise zwei oder drei, ganz selten vier Silben); außerdem gibt es für "ta" kein gutes Zeichen. Also "jia" als Vorname. Vielleicht werde ich bald mal versuchen, die Zeichen dafür in den Computer reinzubekommen, damit ihr den Namen richtig lesen könnt.
9. September 2001
Gute Nachrichten! Ich konnte heute den ersten Satz Fotos wegschicken. Wir waren in einem teuren Internetcafe im Shanghai Book City in der Fuzhou Lu. Aber die hatten Laufwerke, so daß ich die Fotos von Diskette an Ulf schicken konnte. =)
10. September 2001
Juhu!, Internet im Zimmer. Über mein Modem kann ich jetzt selbst surfen, ohne irgendwohin zu fahren. Auch die reguläre Email kann ich wieder ohne Web-basierte Umleitung lesen. Fein.
15. September 2001
Gestern abend waren wir in einer lustigen Kneipe. Die hatte echt Stil, total verwinkelt und so. Leider waren dort fast nur Ausländer. Allerdings schien das unseren Bekannten aus Deutschland und Amerika wenig auszumachen. Wir fanden das aber ein bißchen blöd. Also gingen wir schnurstracks zu den einzigen Chinesen im Laden, die gerade auf einem total zerfledderten Brett Darts spielten. Nachdem Edith beim ersten Versuch gleich die Mitte traf und ich immerhin auch das Brett bei irgendeiner Zahl, wurde gleich beschlossen, daß wir "girl" gegen "boy" spielen. Nach ca. 5 Würfen hatten wir dann auch endgültig verstanden, wie die Regeln waren, dann waren wir gar nicht mehr so schlecht. Zuletzt haben wir mit nur zwei Würfen Rückstand verloren. Und das, obwohl wir nach Geschmack der beiden Jungs viel zu viel getrunken haben, in der Zeit bestimmt drei Bier!!! Die nippten immernoch an ihrem ersten des Abends oder so. Die beiden sind aus Xinjiang (ganz im Nordwesten Chinas, kurz vor der kasachischen Grenze), also von zuhause fast so weit entfernt wie wir. Wir haben uns so locker mal zum schwimmen verabredet, aber ob sie sich trauen anzurufen? Ich glaub nicht. Naja, sie sind wohl öfter in der Kneipe, denn dort gibts ja "free darts".
18. September 2001
Argh! Am Samstag Abend oder Sonntag früh wurde mein Fahrrad geklaut! Großer Mist! Heute haben wir dann festgestellt, daß sie es nicht nur auf mein Fahrrad abgesehen hatten (hätte mich auch gewundert, denn Edith hat genau das gleiche). Denn Ediths Schloß war überhaupt nicht aufzubekommen, offensichtlich hatte jemand versucht, es aufzubohren. Wir haben es echt nicht hinbekommen. Also sind wir hinter unserem Haus so zu einer Art Werkstatt der Uni oder so gegangen, und haben den Typen gefragt, ob er uns das Schloß aufmachen kann. Der hat uns ohne weitere Fragen geglaubt, daß uns das Rad gehört, allerdings kam er mit dem Schlüssel auch nicht weiter. -- Da zückte er aus der Werkstatt eine Kreissäge, mit der er dann so langsam das Schloß durchsägte. Die Funken flogen wie wahnsinnig, und der Helfer, der das Schloß festhalten mußte, wurde wohl auch einmal kurz an der Hand erwischt, aber immerhin konnten wir dann zum Kaufhaus fahren und ein neues Schloß kaufen. Natürlich das teuerste, das da war -- jetzt wollen wir sichergehen! Ich hab mir auch wieder ein neues Fahrrad gekauft, diesmal aber das billigste das es so gab. Fährt sich nicht ganz so toll: Beim nächsten Mal werd ich wieder das teurere kaufen. =)
Ich hab heute auch das erste Paket weggeschickt, das ist auch sehr lustig. Ich mußte in ein größeres Postamt in der Xinhua Lu gehen, dort war alles voll von Leuten. Die Frau am Schalter rupfte alles auseinander und reichte mir dann wortlos den ganzen Haufen wieder, zusammen mit einer Zollerklärung. Die war natürlich in Chinesisch -- und Französisch. Naja, mein Französisch reicht ja auch nicht sehr weit, also hab ich immer einfach was grade paßte in Englisch hingeschrieben. War anscheinend ok, sie hat alles verklebt und von mir fast doppelt soviel wie der Inhalt wert war (ein Hackmesser zum Kochen) kassiert. Hoffentlich kommt das jetzt auch an, und wird nicht vom Zoll als "gefährliches Gut" konfisziert. Ich bin sehr gespannt. Hier bei uns kommt die Post aber an (*Zaunpfahl*), Edith hat schon einen Brief bekommen.
23. September 2001
Gerade sind wir aus Suzhou zurückgekommen. (Suzhou ist eine kleinere Stadt in der Nähe Shanghais, berühmt für die Gärten und für Seide.) Der Ausflug war wirklich klasse. Wir haben eine Menge Gärten gesehen, und uns vom Anblick der ganzen Hochhäuser in Shanghai erholt. Tatsächlich war es in Suzhou nachts auch manchmal richtig leise! Schön. Wir waren in einem Hotel, das gerade umgebaut wurde. Hatten sie wahrscheinlich auch ein wenig nötig. Aber das Zimmer war sauber, wir hatten ein eigenes Bad mit lustigen orangenen Handtüchern und eine Thermoskanne mit heißem Wasser plus Tee. Morgens halb acht wurde durch Bohren, Hammern und Sägen geweckt, so daß mein Wecker gar nicht in Aktion treten mußte. War aber auch ganz gut so, denn wir hatten ja nur zwei Tage.
Nachdem wir drei statt eine Stunde zum Hinfahren gebraucht haben (in den fast anderthalb Stunden im Stau hab ich ganz gut geschlafen), sind wir abends über einen Nachtmarkt gelaufen ("hello!", "lookilooki!", "chilk!") und noch in eine Kneipe eingekehrt. Die Kellnerin hinter der Bar hat uns dann einen Plan für die gesamten zwei Tage zusammengestellt, was wir uns in Suzhou anschauen sollen. ("Weil ich auch Studentin bin.") Außer ein paar Chinesen, die alle Englisch konnten, waren in der Kneipe auch wieder fast nur Ausländer. Natürlich auch der obligatorische alte Ami mit seiner zwanzigjährigen chinesischen Freundin. Bah.
Den zweiten Tag brachten wir mit Gärten anschauen zu (dazu gibts Fotos); Außerdem haben wir das Seidenmuseum angeschaut. Beim Einkaufen sind die Leute allerdings viel zu aufdringlich. Daß die nicht merken, daß sie uns damit nur verschrecken! Wir haben dann in den Läden, in denen niemand uns bedrängte, Stempel und Tee gekauft. Ohja, jetzt hab ich einen schicken Namensstempel. Sieht sehr wichtig aus, ab morgen werd ich alle Sachen stempeln: Bücher, Briefe, einfach alles. =)
Am Abend in einer anderen Kneipe trafen wir die zwei Holländerinnen, die wir den ganzen Tag über schon vier Mal gesehen hatten. Klar, sie wohnten auch noch in unserem Hotel. Naja, Lonely Planet-Touristen kann man irgendwie schon von weitem erkennen. Die beiden machen eine coole Tour, waren gerade drei Wochen Zug gefahren, von Moskau über die Mongolei nach Beijing, dann Shanghai. Sie wollen noch weiter durch China und Südasien, vielleicht bis Australien. Wenn sechs Monate Zeit und ihr Geld reichen. Cool.
Heut haben wir wieder einen Garten besichtigt, mit einer interessanten chinesischen Show (Tiger und Drachen). Gärten bauen können die hier wirklich, das ist alles sehr beeindruckend. Die Hauptattraktion in dem Park waren trotzdem wir, denn dorthin kamen sonst fast nur Chinesen. Sobald wir saßen, wurden schon Fotos gemacht. Ich glaube in einem Jahr kennen uns die meisten Chinesen, da sie uns dann schonmal im Familienalbum eines Freundes gesehen haben.
Was wir in Suzhou nicht gemacht haben, ist zum Frisör zu gehen oder uns massieren zu lassen. Das konnte man dort an jeder Ecke - anscheinend ist das wirklich eine Touristenstadt. Dafür hat Edith ganz zum Schluß doch noch echte Suzhouer Seide gekauft. Das war gar nicht so einfach, denn die Seide ist zwar gut und auch billig, aber die Kleidungsstücke sind alle so häßlich!
Nun sitzen wir wieder in Shanghai, müssen eigentlich 200 Wörter bis morgen lernen. Edith hat ihre Erkältung an mich weitergegeben, was bei immernoch 30 Grad eigentlich ein Witz ist. Aber die Klimaanlage in den Räumen ist dafür so kalt eingestellt, daß man abwechselnd friert und schwitzt. Unser Nachbar von gegenüber sagt, daß eine Erkältung hier normal ist, wir sollen uns schonmal dran gewöhnen. Also gewöhn ich mich dran, und freu mich auf die nächste Woche: Die ersten Stunden in Kalligraphie, Wushu (Shaolin Kungfu) und chinesischer Eßkultur.
26. September 2001
Das erste Mal seit fast einem Monat benutzte ich Messer und Gabel! Ein Chinese, den wir in Suzhou getroffen hatten, lud uns ein. Er holte uns mit dem Auto von der Uni ab (nachdem wir ihn am Telefon endlich zur richtigen Stelle gelotst hatten). Dann gings zum Hardrock-Cafe. Wir konnten uns das nicht so richtig aussuchen, er war irgendwie der Meinung, wir wären das chinesische Essen nicht so gewohnt. Boh, war das dort teuer! Wang Weikang hatte angeblich schon gegessen, aber wir sollten was bestellen, am besten was Großes. Na wenn schon im Hardrock-Cafe, dann auch richtig: Ich bestellte also ein super-unchinesisches Chicken Club Sandwich. Ganz schön viel, aber auch wirklich ziemlich gut. Dazu gabs natürlich Bier und -- Lifemusik. Die hat mir echt gut gefallen. Eine richtige Unterhaltung wollte allerdings nicht aufkommen... War aber trotzdem recht nett. Weikang spielte den Gentleman, abholen, zum Essen einladen, zurückbringen. Auch bezahlen: Für uns drei fast 400 Yuan (130 Mark). Parkgebühren nochmal 60 Yuan (knapp 20 Mark). Jedenfalls war ich jetzt in meinem ersten Hardrock-Cafe und fahre bestimmt bald nochmal hin, um mir zum Beweis ein T-Shirt zu kaufen. Wie die anderen, Ausländer und Chinesen, gestarrt haben: ein Chinese, mit gleich zwei jungen ausländischen Mädels! Naja, Weikang hat auch mit uns angegeben. Aber wirklich in allem sehr fair: der erste Chinese, der sein Versprechen hält uns anzurufen und mit uns wegzugehen.
Die Kalligraphie- und Wushu-Kurse heute waren auch lustig! Kalligraphie ist ziemlich anstrengend, hätte ich gar nicht gedacht. Jedesmal lernen wir, vier Zeichen zu schreiben. Vielleicht lernt man dadurch ja auch die allgemeinen Techniken, so daß ich auch noch ein paar andere Sachen schreiben kann... Wir sollen auch zuhause üben, alles ist sehr ernsthaft. Leider versteh ich den Lehrer oft nicht, weil er wirklich kein Hochchinesisch redet. Hätte ich mal doch den Kurs gewählt, in dem man den Shanghaier Dialekt lernt!
Wushu ist spannend. Edith und ich sind natürlich die einzigen Mädchen, obwohl eigentlich noch eine Japanerin aus unserer Klasse kommen wollte, die vielleicht nächstes Mal dann wirklich auftaucht. Aber wir stellen uns nicht so dumm an. Insgesamt ist die Gruppe ziemlich klein, alle scheinen noch keine Ahnung zu haben. Hinterher bin ich überhaupt nicht k.o., das hatte ich mir auch anders vorgestellt. Als erstes haben wir gelernt, wir wir einen Taschendieb dingfest machen. Auch gut, so kann mir nichts mehr passieren! =)
27. September 2001
In der ersten "Chinesische Eßkultur"-Stunde mußten wir merkwürdige Figuren aus Rettich oder Gurke schnitzen. Ich bin total verhungert, weil ich dachte, daß wir gleich was richtiges kochen. Jetzt bin ich dafür der Bastelkönig. Nächstes Mal gehts dann hoffentlich richtig zur Sache, leckere Baozi oder Jiaozi oder ...
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Oktober
7. Oktober 2001
Diese Woche verbrachte ich in Nanjing. Nanjing ist drei Stunden mit dem Zug von Shanghai entfernt. Edith und ich drängelten sich unter die Chinesen im Warteraum und rannten, um auch ja einen Platz zu bekommen. Oder so - die Plätze im Zug sind ja sowieso schon mit den Fahrkarten vergeben, also keine Ahnung, warum man sich da so prügeln muß. Ein bißchen des englischen Queueing, von dem Carsten mal so schön erzählt hat, könnten die Leute hier ganz gut vertragen.
In Nanjing konnten wir im Wohnheimzimmer eines Freundes von mir schlafen. Das war gut (weil billig), aber sehr hart für uns beide. Das einzige Bett bestand nämlich eigentlich nur aus einem Holzbrett mit einer Art Strohmatte, und ich mußte mich mit einer dünnen Decke zwischen den Fliesen und meinem Schlafsack begnügen. Na für kein Geld will man nicht meckern! Das Wohnheim war total nett, lauter freundliche Leute (fast keine Asiaten dort!), Partys... Mehr wie man sich ein Wohnheim vorstellt als bei uns.
Am meisten könnte ich schon wieder über das Essen erzählen, das war ja soooo lecker! Wir waren ein paarmal essen. In Nanjing ist der Lieblingssnack der Leute Schaschlik. Es gibt Spieße mit allem: Rindfleisch, Hühnerfleisch, Filet, Tofu, verschiedene Gemüse, sogar kandierte Früchte. Ein Abendessen haben wir uns mal von Stand zu Stand gefuttert. Und welcher Chinese ist auf die Idee gekommen, Tofuteig ganz dünn auszurollen und zu fritieren und dann auf einen Stab zu wickeln? Es ißt sich wirklich furchtbar (geht eigentlich nicht ohne kleckern, und die umstehenden Chinesen freuen sich einen Wolf), schmeckt aber prima. --- Und in Nanjing habe ich mich dann doch hinreißen lassen: es gibt dort eine Bäckerei, die richtiges Brot backen kann! Wir haben dort zweimal ein Sandwich verdrückt; und zum Abschied mußte ich mir auch noch ein dunkles Brot kaufen. Das ist mal wieder was. Ich glaube, ich muß morgen ein Stück davon in die Uni mitnehmen, die Japanerinnen konnten sich deutsches Brot immer überhaupt nicht vorstellen. "Dunkel und nicht süß? Aber ist das dann ganz hart?" Und wie erklärt man das bitte ohne Beispiel? Das sind wirklich die schwierigen Aufgaben der Völkerverständigung.
Natürlich haben wir fast alle wichtigen Sehenswürdigkeiten angeschaut. Wie man sich da die Füße kaputtläuft. Trotz Bussen. Außer den Dingen, die man auf der Fotoseite bewundern kann, waren wir unter anderem auch beim Mahnmal des Nanjing-Massakers von 1937/38. Damals haben die Japaner die Stadt erobert und sechs Wochen lang alles niedergemacht. Es sind ca. 300.000 Menschen dabei umgekommen. Kommentar einer Bekannten aus Nanjing: "Merkwürdig, solche Bilder zu sehen und die Deutschen sind mal nicht schuld." Held der Stätte ist ausgerechnet auch ein Deutscher (John Rabe), der mit ein paar anderen Ausländern noch einige Chinesen vor den Japanern hat retten können, indem sie versuchten, eine unbewaffnete Sicherheitszone aufrechtzuerhalten. Da das Museum sogar einige kopierte Blätter seines Tagebuches und einen Brief von ihm an Hitler enthielt, konnte ich trotz chinesischer Untertitel was verstehen.
Insgesamt ist Nanjing eine viel chinesischere Stadt als Shanghai, glaube ich. Woran man das merkt, kann ich auch nicht so genau sagen. Es ist fast alles ein Stück billiger. Es gibt viel mehr Straßenhändler, die irgendwo sitzen und Obst oder Kekse oder superbillige schwarzgebrannte CDs verkaufen. Fast keiner hat ein privates Auto, auf der Straße sieht man nur Fahrräder, Busse und Taxis. Es gibt genau eine nette Kneipe, in der man dafür Livemusik und günstiges Bier bekommt. Außerdem kann man in dieser Kneipe sofort ein paar Leute kennenlernen, sogar Chinesen (was uns in Shanghai noch nicht so richtig gelungen ist). Das tollste an Nanjing sind aber die Ampeln, da sind sie auch Shanghai total überlegen. Denn die Ampeln in Nanjing haben einen großen, weithin sichtbaren Zähler, wie lange die jetzige Phase (Grün oder Rot) noch dauern wird. Echt! Und für Fußgänger ist das tatsächlich gar nicht so unnütz wie es sich anhört.
14.-17. Oktober 2001
Die letzten vier Tage war mein Professor aus Deutschland, Hans Uszkoreit, und unsere Universitätspräsidentin hier in Shanghai. Sie wollten hauptsächlich den Kooperationsvertrag zwischen unseren beiden Unis unterschreiben. Jetzt sind also die Uni des Saarlandes und die Shanghai Jiao Tong Uni offiziell "jiemei daxue" (Schwester-Universitäten). Lustig eigentlich, daß die Uni im Chinesischen auch weiblich ist.
Wir hatten wirklich interessante Gespräche -- das alles hat mich ein bißchen aus meinen Urlaubsgefühlen zurückgeholt. Schon am Donnerstag davor habe ich meinen ehemaligen Dozenten Karel Oliva hier getroffen, der mich ganz heiß auf (Computer-)Linguistik gemacht hat. Nun waren die Gespräche mit Hans noch "Öl aufs Feuer": Ich glaube, ein Jahr lang einfach hier rumhängen und sich von den ganzen Dingen die mich vorher beschäftigt haben nicht berühren zu lassen war für mich im ersten Moment zwar sehr schön, aber das ist auch unbefriedigend. Da verpasse ich ja so viel! =D Also werde ich mal sehen, wie ich hier neben dem Sprachkurs (der ja nicht wirklich intellektuell fordernd ist) noch was anderes tun kann. Bin gespannt!
Am Dienstag waren wir mit den beiden, Markus Becker (der hier jetzt knapp drei Monate bleibt) und zwei Chinesinnen von der Informatik hier im Jinmao-Turm in Pudong. Der hat 88 Stockwerke und ist damit (420,5 m) nicht nur das größte Gebäude Chinas, sondern auch das drittgrößte der Welt. So knapp die Hälfte ist das Hyatt Hotel, in dem gerade (18.-22.) George Bush wohnt. =) Unten sind auch einige Firmen drin, z.B. die Niederlassung der Dresdner Bank. Wir mußten durch die besonderen Sicherheitskontrollen des Hyatt (sogar meine kleine Handtasche wurde durchleuchtet) um in den 87. Stock in eine Kneipe zu kommen. Von dort hat man den tollsten Blick auf den Bund, auf die ganzen Lichter. Die alten Kolonialbauten sind superschön angestrahlt, es sieht sehr beeindruckend aus, trotz der allgegenwärtigen Neonreklamen. Das ist ein Eindruck, mit dem keine europäische Stadt mithalten kann. In der Kneipe bezahlt man zwar für einen (guten) Cappuccino vielleicht 50 Yuan, aber das bezahlt man im (kleineren) Pearl Tower locker nur für den Eintritt, ohne Kaffee. Und wir hatten dazu sogar noch kostenlos Erdnüsse! =)
19. Oktober 2001
Heute war Bill Gates hier an meiner Universität und hielt einen Vortrag zu den Studenten. Ich habe ja gehofft, wenn er schon hier ist, auch mal zuhören zu können. Deswegen stand ich extra früh auf (ich hatte heute frei) und war kurz vor acht beim großen Hörsaal. Dort standen schon viele viele Studenten und warteten, offensichtlich wurden Delegationen von anderen Universitäten Shanghais geschickt, denn ich sah welche von der Shanghai University und Fudan University. Tja, aber offensichtlich war alles sehr gut organisiert. Einige Soldaten paßten auf, und rein kam man nur mit Eintrittskarte. Mist. Ein Weilchen stand ich noch rum und hoffte irgendwie, ich würde jemand bekannten treffen oder ein Wunder würde geschehen, aber dann gab ich es lieber auf. Dafür war wunderschönes Wetter, so daß ich ein bißchen auf der Campuswiese rumliegen und lesen und schlafen konnte... Mittags kam ich auf dem Weg von der Mensa nochmal an der Aula vorbei. Der Vortrag von Bill war offensichtlich erst gegen 12 Uhr zuende! Da muß er wirklich lange geredet haben. Na, ein dankbares Publikum hat er bestimmt gehabt, von denen hier stellt ihm wahrscheinlich keiner freche Fragen. Obwohl, einer wollte wohl mit einem "Wir sind für freie Software!"-T-Shirt rein -- ob er drinnen angekommen ist? Alle Studenten kamen auch mit einer großen Tüte von Microsoft raus. Ich bin ja sooo neugierig, was da verteilt wurde!
20. Oktober 2001
Endlich ein öffentliches Feuerwerk! Zu Ehren der APEC gab es jetzt eins! Aber so richtig öffentlich war das auch nicht, denn die Innenstadt (alles rund um den Fluß) wurde relativ weiträumig für alle, sogar Fußgänger, abgesperrt. Edith und ich fuhren nach Pudong, und von dort hatten wir durch die gerade riesige Pudong Avenue sogar einen ganz guten Blick. Wahrscheinlich hätte man im Fernsehen die Feuer auf den Booten und an den Gebäuden am Bund richtig gesehen, aber so war die Stimmung natürlich viel besser. Das Feuerwerk war Wahnsinn, einfach riesig. Bei uns fing irgendwann die Polizei an, die Leute von der Straße (die ja gesperrt war, weshalb alle Fußgänger dort standen und zuschauten) wegzuscheuchen zurück auf die Gehwege. Eine Sysiphus-Arbeit. Irgendwann lachten bloß noch alle und traten direkt hinter dem Polizeiauto wieder auf die Straße. Na, aber wir wurden erzogen! =) Alles in allem sehr lustig, der Abend. Nur am Ende war ich wieder etwas enttäuscht: kein großes Finale, irgendwann wars einfach vorbei. Und vor allem: keine Buchstaben am Himmel, auf die ich doch schon beim Feuerwerk auf der Kieler Woche vor ein paar Monaten vergeblich gewartet habe...
21. Oktober 2001
Wir haben einen Eintagesausflug nach Sheshan unternommen. Eigentlich wollten wir ja nach Zhouzhuang, aber wegen APEC (wo hat die ihre Hände nicht drin?) gab es keine Busse heute. Echter Mist. Spontan haben wir uns dann für Sheshan entschieden, der Bus dorthin fuhr sowieso grade ab. Sheshan ist wirklich schön für einen Eintagesausflug. Es hat diese zwei bewaldeten Hügel, auf denen man ganz gut rumlaufen kann (da geht es mal wieder hoch und runter: ich war ganz schön k.o. teilweise). Die Kathedrale in Sheshan ist nett, aber wir waren etwas enttäuscht. Denn es war Sonntag vormittag (wir kamen vielleicht halb elf dort oben an), aber es gab keine Messe. Vielleicht haben die gar keine außer an Feiertagen. Schade. Ein paar chinesische Christen waren sogar zum Beten dort, aber die meisten waren doch Touristen. Auf dem Berg gibt es sogar eine Klosterschule, die aktiv ist.
Das Wetter an dem Tag war so toll, einfach Wahnsinn. Mein Wetterbericht hatte natürlich bewölkt gesagt, so daß ich mich totgeschwitzt habe beim Wandern. Wir kletterten auf den zweiten Hügel, dort kann man vor allem Vögel anschauen. Aber in dem Vogelpark waren so viele! Eigentlich viel zu viele, die armen Viecher. Vor den großen freilaufenden Emus hatte ich richtig Angst... =)
Na und das Tollste an dem ganzen Berg (zusammen mit den Sandskulpturen, siehe Fotos) waren die Rutschen. Erst gabs eine kleine, für die man eine Matte bekam -- und dann eine Sommerschlittenbahn. Echt cool. Nur standen überall an der Bahn Leute, die ganz aufgeregt gerufen haben, ich soll doch ja nicht so schnell fahren.
27. Oktober 2001
Ich war in einem chinesischen Theaterstück. Hier ist nämlich gerade ein Experimental-Theater-Festival. Eigentlich muß man pro Karte 100 Yuan bezahlen, aber mich quatschte ein Theaterstudent an, ob ich ein Stück sehen wollte. Er hat zwar nicht so richtig kapiert, daß ich eigentlich eine Karte kaufen wollte (das hab ich nämlich nirgends gefunden), aber er hat mich dann in ein Stück geschickt, in das auch ein paar andere Studenten gerade gingen. So konnte ich irgendwie (zwar fünf Minuten nach Beginn der Vorstellung und ohne Sitzplatz) einfach durch die Tür huschen und das Stück kostenlos ansehen. Na, für uns Studenten wird hier gesorgt =). Es war auch wirklich gut. Die Story (Hua Mulan - ja, genau das, was auch kürzlich von Disney verfilmt wurde) ist ja ziemlich einfach, also konnte ich dem Chinesisch ganz gut folgen. Sogar einige der Witze hab ich kapiert.
29. Oktober 2001
Ohje, ich hab eine Schildkröte gegessen. Eine, die ich sogar vorher lebendig gesehen hatte! Eigentlich war das ein Versehen, ich wollte die ja gar nicht. Wir wollten nur einen Fisch, wer konnte den ahnen, daß Jia-Fisch Schildkröte heißt?? Na, dann mußten wir sie auch kosten, und sie hat gar nicht so schlecht geschmeckt. Nicht wie Fisch, sondern eher wie Lamm oder Rind. Nur wo hat die überhaupt Fleisch, da sind ja nur Panzer und Beinchen zum abknabbern. Alles in allem würde ich das eher als "Erfahrung" verbuchen -- ich hab mich dann an die Kartoffeln in diesem Gericht gehalten und die Schildkrötenpanzer lieber draufgelassen.
Wo wir bei Tieren sind: Edith hat die Geduld mit unseren Zimmergenossen aufgegeben und ein Insektenspray gekauft. Na, die Kakerlaken wurden in letzter Zeit auch wirklich frech, spazieren am hellichten Tag über das Buch oder um den Computer. Nun sind sie nach Ediths Mörderorgie gestern wohl verschreckt, heute hab ich nur noch vereinzelte gesehen (auch schon tot).
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November
4. November 2001
Aaaaaahhh, ich friere mir den Arsch ab! Jetzt ist November, der eine der zwei schönen Monate in Shanghai (Mai und Oktober) ist vorbei, es wird jetzt kalt und ungemütlich. In unseren Zimmern gibt es keine Heizungen, da wir uns südlich der Heizungsgrenze (der Yangtze-Fluß: nördlich davon ist Nordchina "dort wirds im Winter kalt", und südlich davon ist Südchina "da ists ja eh immer warm") befinden. Um genau zu sein, sind wir hier ca. 20 km südlich des Yangtze... Wenn man dann im Zimmer sitzt und irgendwas tun will, dann ists wirklich wirklich kalt. Jetzt weiß ich, warum die Koreaner und Japaner hier jeden Abend soviel Schnaps trinken.
Aber ehrlich gesagt haben die es in Nordchina jetzt auch nicht besser. In Beijing hat es schon mal probegeschneit, vor zwei Tagen war es zeitweise unter null Grad. Na und die Heizungen werden landesweit erst am 15. November eingeschaltet.
Frieren kann man draußen auch gut, zum Beispiel auf dem Dritten Shanghaier Internationalen Kunstfestival, welches gerade stattfindet. Leider draußen im Nieselregen. 45 Austauschstudenten durften auch hin, dort waren wir dann sowas wie die Quotenausländer, mußten gleich in die erste Reihe und wurden eine Million mal fotografiert. Ediths Vermutung: "Alles Archivfotos, wenn die mal Ausländer brauchen, holen die uns raus." Aber gestern kam ich dann prompt auch im Fernsehen, als die Show nochmal übertragen wurde. Das Programm selbst war sehr durchwachsen, hauptsächlich kitschig. Den absoluten Höhepunkt bildeten für mich ein Haufen männlicher Play-Bunnies, die mit bauchfreiem Oberteil und Hotpants aus Plüsch bekleidet waren und Hörnchen auf dem Kopf hatten, mit denen sie lasziv herumwackelten, genauso mit den Hintern. Solche Art von Vorstellung hätte ich in China nun wirklich nicht erwartet, es sah aus wie eine homosexuelle Anmachshow... Wow. Gut war auch der Kinderchor, der (selbstverständlich) "Jingle Bells" intonierte. Klar, denn Weihnachten ist hier immer in. Die Chinesen (männl.) waren offensichtlich begeistert von einer Gruppe (was-auch-immer) Dominikaner oder so, die Lambada spielten und deren zwei Sängerinnen dazu in ihren Hotpants mit den Hüften und Füßchen wackelten. Das wiederum fanden manche der Frauen gar nicht so toll, wies sich gehört.
Das Festival findet an einem See in der Nähe Shanghais statt, die Gegend ist eigentlich recht hübsch. Aber bei dem Regen hatten wir keine Lust und Zeit, um uns das anzuschauen.
Ich selbst muß dieses Wochenende mal lernen, alles ist daher eher langweilig. Nächste Woche sind Prüfungen.
14. November 2001
Juhuuu!!!! Die Heizung ist an! Es gibt doch eine Heizung hier, und sie ist an! Endlich muß ich nicht mehr frieren! Wahnsinn. Wenn ich so kurz vor unserer Aufnahme krank geworden wäre, hätte mich Li Laoshi (Frau Li) auch umgebracht, glaub ich ;). Na, morgen gehts erstmal nach Zhenjiang und Yangzhou. Obwohl wir schon um sieben Uhr früh losfahren (was für eine unmenschliche Zeit!), glaube ich daß es nett wird.
24. November 2001
Vom 20. bis 24. November war ich auf einer Fahrt nach Beijing (Peking). Beijing war total schön. Die paar Tage dort haben mir gezeigt, daß ich unbedingt wieder hinwill. Wir sind dort zu sechst von unserer Uni hingefahren, es war auch einer von der Fudan Uni dabei, der (so nebenbei anscheinend), Pekingoper singen lernt. Er kanns echt gut.
Wir alle haben zusammen ein Fernsehprogramm gemacht. Witzig. Ich glaube, daß es letztendlich ganz ok geworden ist. Und eigentlich kommt es auf die Qualität auch gar nicht soooo an, die Chinesen werden sich auch so freuen, daß wir Chinesisch reden und singen und xiaochi (Snacks) aufzählen und Kalligraphie machen und überhaupt. Ich bin gespannt, wie es dann zusammengeschnitten aussieht, ich will unbedingt ein Video. Es hat wirklich viel Spaß gemacht. Der Trip insgesamt auch, weil die anderen Mitfahrer so nett sind. Nur unsere Lehrerinnen waren etwas nervig. Die empfinden uns offensichtlich als kleine Kinder und haben uns auch so behandelt. Sogar wörtlich so genannt: "xiao haizi". Das bin ich als Europäer überhaupt nicht gewohnt. So ließen sie uns jedenfalls nicht alleine rumlaufen und kamen abends in die Kneipe mit zum Aufpassen... und im Zug zurück blieben sie tatsächlich wegen ein paar von uns wach. Versteh ich echt nicht.
Außer Proben, Aufnahme und einem plötzlichen Fernsehinterview morgens (nach dreieinhalb Stunden Schlaf =), hatten wir doch noch etwas Zeit übrig, um uns Beijing anzuschauen. Erst waren wir im Yiheyuan (Sommerpalast) Durch einen schnellen Entschluß bekamen wir eine halbe Minute vor vier auch noch die letzten Karten für den Palast selbst. Dann war wieder einmal (warum stehen die Pagoden immer auf Hügeln?) Treppensteigen und Treppensteigen angesagt. Und dann noch ein bißchen mehr, weil einige Türen schon zu waren (war ja fast Feierabend) und daher ein paar Umwege nötig.
Am nächsten Tag sind wir zum Gugong (der Verbotenen Stadt). Die ist ja riesig. An irgendeinem Punkt haben wir angefangen. den Huangdi (Kaiser) zu bedauern, der dort gewohnt hat. Jedes der ganzen Gebäude bedeutet ja eine Pflicht, die er dort ausführen muß.
Die Zugfahrt nach Beijing dauert 14 Stunden, aber man fährt über Nacht. Dadurch ist es sehr bequem, und in den Betten kann man sogar richtig gut schlafen. Ich hatte jedenfalls keine Probleme. Und das Zugrestaurant ist überhaupt das beste, es hat die ganze Nacht auf, und dann gibt es dort für drei Mark gekochte Nudeln, die wirklich lecker sind, und einen ziemlich blöden chinesischen Film auf dem Fernsehbildschirm.
26. November 2001
Schon wieder auf dem Weg nach Suzhou... Ich will an der "ersten öffentlichen UNL-Tagung" teilnehmen, die zufällig gleich um die Ecke stattfindet. Mal sehen, was mich da erwartet, jedenfalls ist Suzhou bestimmt nett, ich freue mich schon auf das gulao rou (süß-saures Fleisch) zum Abendbrot.
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Dezember
9. Dezember 2001
Das German Centre in Shanghai (die unterstützen deutsche Firmen beim Ansiedeln und Wirtschaft betreiben in Shanghai) hat heute eine Weihnachtsfeier veranstaltet. Und weil mir gutes Essen versprochen wurde und ich Lust auf sowas hatte, bin ich mit Lars hingegangen. Und es war echt cool. Als allererstes hat mir gefallen, daß man auch bei vom Hilton Hotel Shanghai organisierten Veranstaltungen einen "Hello-Kitty"-Stempel als Eintrittskarte auf die Hand bekommen kann. Wow. Als zweites fiel mir auf, wie viele deutsche Kinder es in Shanghai gibt. Wahnsinn. Die sind wohl alle in den Ausländerwohnblocks versteckt. Es gab auf der Feier auch eine Vorstellung der Deutschen Schule Shanghai, also waren fast alle Kinder (und auch die Eltern) da. Die Aufführung war - naja - eben eine Schulaufführung. Haufenweise kleine Kinder, die entzückend falsch singen. So richtig haben das vermutlich nur die Eltern genossen. Aber ich fand auch schön, wie lauter Hände brav nach oben gingen, als der Nikolaus am Ende hereinkam und fragte, wer ihm denn mal helfen würde. Arm dran sind die Kinder trotzdem, man stelle sich mal die 10. Klasse hier vor: mit ganzen 2 Schülern!
Nun aber zum wichtigeren Teil: Das Essen war echt gut. Und ziemlich exotisch. ;) Nicht nur für China, sondern auch sowieso für mich, denn Leberkäse oder Schupfnudeln sind für unseren Teil Deutschlands auch nicht so richtig typisch. Aber ich konnte super schlemmern, für 120 Yuan (ca. 35 Mark) Eintritt konnte ich dort Mittag- und Abendessen abfassen. Eigentlich hab ich das Essen nur für die Aufführung unterbrochen, na bei der Auswahl: Sauerkraut, Currywurst, Bratwurst, Erbsensuppe, Pommes, Kartoffelpuffer, Glühwein, gebratene Mandeln, Waffeln, rote Grütze, Stollen, Kuchen, Pudding, Laugenbrötchen usw.
Na, "man spricht deutsch" (ist gar nicht so einfach, beim jemand Anrempeln spontan "Entschuldigung" zu sagen), und zum Schluß labten sich alle an der Hilton-Jazzband und dem Freibier, und Lars und ich fuhren wieder nach Hause.
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Februar 2002
5. Februar 2002
Au weia, nun hab ich ja schon ewig nichts mehr von mir hören lassen! Aber ob das daran lag, daß nichts passiert ist, oder daran, daß ich so beschäftigt war, ist nicht ganz klar, oder? Mal sehen, was ist denn passiert...
Im Dezember hab ich den offiziellen HSK-Sprachtest gemacht. Die Anmeldung dazu war mehr eine Schnapsidee... und sich am Sonntag morgen im strömenden Regen von einem Bus -- irgendwohin -- fahren zu lassen... wir kamen uns ziemlich bekloppt vor. Der Regen war natürlich kein gutes Omen, und der Test echt schwer, vor allem die Zeit sehr knapp. Inzwischen weiß ich das Ergebnis: ich hab jetzt ein schickes Zertifikat, daß meine Chinesischkenntnisse auf dem "elementary level" sind. *grrrr* Ich hab Stufe 5 bekommen, die höchste der Grundstufe. Natürlich kann hinterher jeder sagen, wenn Zeit zum richtigen Vorbereiten gewesen wäre, hätte das Ergebnis besser sein können. Na, dann kann also auch ich das zu meiner Verteidigung anführen. =) Wenn ich im Mai nochmal zuviel Muße habe, kann ich den Test ja nochmal machen, und dann vergeßt Ihr alle das alte Resultat, ja?
Nebenbei hab ich gearbeitet, so Kram halt in dem Projekt an der Uni an der ich hier bin. Und weil mich das nicht so richtig ausgeschöpft hat, nebenbei noch über anderen Kram nachgedacht. Erst über chinesisches Tagging, und jetzt seit einiger Zeit mit immer mehr Ernsthaftigkeit (und Spaß!) bei der Sache über eine andere Idee von Markus Becker und mir... Oja, darüber zu erzählen könnte fast Seiten füllen, aber Euch wirds ja eher nicht interessieren. Die armen, die das sowieso schon immer von mir anhören müssen. ;)
Sonst so: Über Weihnachten waren meine Eltern und mein Brüderchen Robert hier. Das war toll, trotz der wenigen Fotos um es zu beweisen. Keine Ahnung, warum ich jeden Tag fix & fertig war. Leider waren sie zu kurz da... Aber wir haben schon einiges gesehen: die ganzen Hochhäuser (nicht wahr, Mama?), den Jadebuddhatempel, Yuyuan und den Basar, natürlich Nanjinglu und den Bund, meine Uni und Xujiahui, Pudong ganz kurz und das Shanghai Museum etwas länger (bis ich fast verhungert war =). Sogar in Suzhou war ich mit Mama und Robert einen Tag. Wow, Suzhou schon zum dritten Mal! Aber es hat sich gelohnt, denke ich.
Na und dann, gleich im Anschluß, kam Ulf für ganze zwei Wochen. Hm, von Shanghai hat er wohl nicht viel mehr gesehen als meine Eltern in vier Tagen, aber dafür wir umso mehr von uns. Schön! Sogar im Konzert waren wir einmal (und haben den hinter uns schnarchenden Herren ignorieren können), und haben 1000 DVDs gekauft und gesehen. Der Abschied war umso tränenreicher, als wir nun wußten wie eine monatelange Trennung ist. Na, wie sich herausstellte, war die Trennung gar nicht so lang, sondern nur für anderthalb Monate. Denn Ende Februar heißts von Shanghai Ade, ich flieg für eine Zeit in die USA. Eigentlich sollte ich mir nochmal meine Kamera schnappen und alles von Shanghai sehen, was ich sonst vermissen werde. Da könnt Ihr also noch auf Neuigkeiten hoffen. Ansonsten gibts aus China bestimmt wieder eine berichts- und fotoreiche Zeit ab Ende März, denn da gehts ab nach Beijing! Ich bin ganz aufgeregt, seid Ihrs auch? Vorher vielleicht auch was aus Amerika, für die denen der Kontinent essentiell ist. =) Bis bald!
12. Februar 2002
Ich glaube, wenn am Frühlingsfest in China ein Erdbeben wäre, würde es niemand merken. Heute ist der erste Tag des Jahrs des Pferdes, oder eben der erste Tag des "Großen Jahres" (da nian chu yi). Also: Frohes Neujahr! Ich wurde vorgewarnt, daß es ein paar Tage lang knallt, aber das entspricht auch der Wahrheit. Zumindest seit gestern abend um 6 ist es nicht mehr 30 Sekunden lang ruhig gewesen bis jetzt -- 12 Uhr. Und immer findet sich noch einer, der noch nicht alle roten Knaller abgebrannt hat. Immerhin, der kleine Weg vor meinem Fenster ist schon wieder ganz sauber: Heute morgen kam jeder mit einem Besen und hat die roten Haufen weggekehrt. Einen konnte ich dabei beobachten, wie er erst noch mit größter Vorsicht bei ausgestrecktem Arm und schnell weglaufend die übriggebliebenen Fehlzünder abbrannte. Ein paar von den Dingern sind ganz schön beeindruckend: Vorhin sah ich welche, die man auf dem Boden stehend anzündete (und dann läuft man wirklich lieber schnell weg), dann gibt es einen Knall, und der Kracher fliegt 5 oder so Meter senkrecht hoch in die Luft, woraufhin es nochmal ohrenbetäubend knallt und die Einzelteile wild in alle Richtungen fliegen. Wahnsinn. Häufiger ist allerdings, daß die Leute ganze Muster oder Haufen auf dem Boden aufbauen, und diese dann sich gegenseitig entzünden, so daß es minutenlang kracht. Und gestern abend gab es sogar ein paar schöne Raketen.
Vermutlich wird es am 16. nochmal ähnlich laut. Denn am 5. Tag des Jahres wird die Ankunft der Göttin des Wohlstands erwartet. Wer also im beginnenden Jahr nicht an Geldmangel leiden will, sollte sie lieber gebührend (mit Krach und Knall) empfangen. Am 16. bin ich aber vermutlich nicht in Shanghai, Jörg und ich haben noch Zugfahrkarten Richtung Süden gekauft. Morgen Mittag fahren wir in den Süden der Provinz Zhejiang, in die Stadt Wenzhou. Wir sind auf der Suche nach Natur... So richtig klein ist Wenzhou allerdings auch noch nicht, denn es hat wohl 6 Millionen Einwohner. Eigentlich möchten wir ein bißchen nördlich von Wenzhou in ein Flußgebiet, in dem es schöne Felsen, Höhlen, Wanderwege und Floßtouren geben soll. Zwar wird alles erschwert dadurch, daß fast alle Chinesen aufgrund des Frühlingsfestes diese Woche frei haben, aber wir sind trotzdem noch guten Mutes. Mal sehen, ob wir etwas zum übernachten und ein Ticket wieder nach Hause bekommen.
14. Februar 2002
Juhuu, ich liege in einem kuschligen Bett, und der Schmerz in meinen Beinen und meinem Po läßt langsam nach! Bin ich k.o., aber glücklich! Ich befinde mich im dritten Stock über einer kleinen Garküche in einer Seitenstraße eines Dorfes irgendwo im südlichen Zhejiang am Nanxi-Fluß. Jörg, mein Reisepartner, und ich haben nun schon einige Stunden Fahrradfahren flußaufwärts den Nanxi entlang hinter uns. Was leider auch heißt: bergaufwärts. Die Fahrt war sehr schön, bis jetzt hat sich's auf jeden Fall gelohnt. Der Fluß ist gar nicht so klein, rechts und links sind bewaldete Berge und entlang der Straße klitzekleine, verteilte Dörfer, in denen in den letzten zehn Jahren vermutlich kein Ausländer vorbeigekommen ist. Jedenfalls keiner mit hochrotem Kopf auf einem Fahrrad. =) Doch bevor wir in dieses schöne Gebiet kamen, hatten wir einen halben Tag lang damit zu tun, überhaupt erstmal die größere Stadt Wenzhou zu verlassen. Nach Wenzhou sind wir aus Shanghai in 10 Stunden mi tdme Zug gefahren. Da wir erst 11 Uhr abends ankamen, haben wir uns direkt am Bahnhof "abfangen" und in ein Hotel in der Nähe führen lassen. Das Hotel war gut und hatte die tollsten Hotelhandtücher: ganz weiß und kuschlig... - aber da der Preis auch günstig war, konnte ich's nicht übers Herz bringen eins zu klauen. Macht man ja auch nicht. Morgens standen wir um 7 Uhr auf und begannen mit der Odyssee, einen Weg Richtung Norden aus der Stadt zu finden. Der erste Versuch per Bus schlug fehl (wir kamen in einem netten Vorort mit netten Ständen an, aber von dort nicht weiter), der zweite ebenfalls (man setzte uns in einen Bus nach "Longjia" statt nach "Yongjia"), und zuletzt latschten wir zu Fuß durch die halbe Stadt (nochmal den Busplänen vertrauen??) und setzten mit der Fähre ans Nordufer des Flusses, an dem Wenzhou liegt, über. Von dort ging dann tatsächlich endlich ein Bus nach Norden (einer? - hunderte!), und in Yongjia gönnten wir uns das wohlverdiente Mittagessen. Eine Tour, die laut Reiseführer "eine Stunde" dauert, hatten wir immerhin in vieren geschafft.
Wir beschlossen dann kurzerhand, daß Fahrradfahren die schönste Art zum Erkunden des Gebietes wäre. Und da es keinen Fahrradverleih gab, beschlossen wir ein Fahrrad für die Tage zu kaufen. Es kostete 160 Yuan, was zwar nicht so komplett billig ist, aber wenn man ein Fahrrad so lange leihen würde... Ich fühlte mich furchtbar dekadent. Vor allem auch, weil wir von den Ortsansässigen genaustens bei der Aktion beobachtet wurden. Ein bißchen doof ist es schon, daß ich außer dem Fahrrad in Shanghai, was ich nicht loswerde, nun noch eins hier habe. Um unser Gewissen zu beruhigen, sagten wir uns, daß wir die Räder am Ende Bedürftigen schenken oder jedenfalls irgendwo stehenlassen, wo jemand Bedürftiges es sich dann nehmen kann.
Jetzt liege ich also in meinem kuschligen Bett mit Bärchenmuster, und da kein Fernseher da ist, wo meine neue Lieblingsserie kommen könnte, werde ich wohl bald schlafen. Neun Uhr abends ist vielleicht selbst für China bißchen früh, aber ich bin viel zu k.o. zum Rumlaufen, und ne Kneipe gibts hier auch nicht wirklich. Na und außerdem ist mein Bett der einzig wirklich warme Ort im heizungslosen China südlich des Yangtze. =)
15. Februar 2002
Das war wieder ein erlebnisreicher Tag heute! Wenn man so früh aufsteht, und immer an der frischen Luft ist, passiert auch so viel. Richtig erstaunlich, daß gerade erst 19:00 Uhr ist. Und wir haben gar nichts mehr weiter vor, außer meine Lieblingsserie zu schauen. Na im Dunkeln läßt sich hier kaum mehr was unternehmen, außerdem bin ich wirklich schon k.o.
Unser gestriges Hotel befand sich in einer Ansammlung von nur so etwa 5 Häusern. Da die Einheimischen dort schon viel Interesse an uns gefunden hatten, gingen wir lieber erstmal zu Fuß Richtung Norden. Leider nieselte es eklig. Bald sammelte uns auch ein Bus auf, der uns auf Kisten sitzend ins nächste Dorf fuhr. Von dort gings dann mit der Rikscha (jaja, eigentlich wollte ich das ja nicht mehr, aber der Mensch hat sich wohl auch gefreut - jedenfalls hat er uns noch beim Preis ausgetrickst) in ein uraltes Dorf (so 1000 Jahre alt) abseits der Hauptstraße. Das war ziemlich nett, samt schicken alten Häusern, geschäftstüchtigen Reiseführern, Mahjongg-spielenden Bewohnern und totem Hund mit ausgenommenem Bauch. Von dem Dorf, Cangpo, fuhren wir mit der nächsten Rikscha, und ohne wieder ausgetrickst zu werden, weiter Richtung Norden. Die ganze Zeit hatten wir ein festes Ziel, das Shiweiyan-Naturschutzgebiet. Aber wir hatten Schwierigkeiten, Busse dorthin zu finden, vielleicht gibt es gar keine. Gut also, daß wir unseren Weg so zusammengestückelt haben. Wir liefen noch ein Stück (unter anderem durch einen wirklich beeindruckenden, weil roh aus dem Fels gehauenen, unbeleuchteten und unbefestigten Tunnel), und fingen uns einen neuen Bus. Die Frau dort schmiß uns irgendwo raus und verklickerte dort auch gleich Umstehenden, wo wir hinwollten. Einer fuhr uns dann mit seinem Mini-LKW zum Ausflugsgebiet. Toll, da gab es auch ein Hotel! War zwar nicht ganz billig, aber es entband uns der Schwierigkeiten, am Abend wieder zurückzukommen. Mittagessen hatten wir auch gleich noch im ebenfalls relativ teuren Restaurant, und dann gings ab zum Wanderpfad. Der war nun wirklich schön. Am besten kann man das wohl alles von den Fotos erfahren. Zwischendurch wurden wir Stücke mit Booten gefahren, und die Gegend ist wirklich hübsch und beeindruckend. Sogar die Sonne kam ein bißchen hervor, freilich ohne daß jemals blauer Himmel zu sehen gewesen wäre.
Halb sechs hatten wir einen Großteil des Gebietes abgelaufen, und ich fühlte mich auch schon wieder wie Abendbrot... =) Na, da es sowieso schon dunkel wurde, und wir nicht gern neben die Steine über den Fluß treten wollten, kehrten wir heim. Und wir suchten uns einen leckeren gebratenen Reis (Jörg bemerkte, daß ich gleich viel bessere Laune hätte - ich befürchte zu Recht). Im Restaurant stellten wir fest, daß wir dort auch hätten unterkommen können, vermutlich viel billiger. Naja, aber so haben wir eine warme Dusche, tolle Klimaanlage, einen Fernseher auf dem nachher meine Lieblingsserie kommt, und ein kostenloses Frühstück morgen. Ich bin echt zufrieden. =)
16. Februar 2002
Jörg der Organisator! Aber das kommt natürlich später, ich will ja irgendwie chronologisch vorgehen. Morgens genossen wir das inklusive Frühstück und stellten uns draußen auf die Straße um auf ein Auto zu warten. Das taten auch ganz viele Chinesen, deswegen hatten wir ein bißchen Vertrauen. Aber nicht so viel Geduld wie die... Beim ersten Auto fragten wir, für wieviel er uns mit zurück nehmen würde. Der wollte uns doch tatsächlich (vor all den anderen Leuten) richtig bescheißen, und meinte 100 Yuan. Wir waren ja die Strecke am Vortag schon für 30 hingefahren, und lachten deswegen laut und meinten, wir hätten das ja auch schon für zwanzig bekommen. Der Typ ließ uns zweimal weggehen (ich ich war schon fast sauer), bis wir uns endlich auf 30 einigten. Dabei half vermutlich, daß das nächste Auto kam und unser Fahrer Angst hatte, uns gar nicht mehr mitzunehmen. Im Dorf an der Hauptstraße quetschten wir uns in einen Bus - und waren glücklich bei der Anfangsstation einzusteigen. Bestimmt hätten noch fünf Busse voll werden können von den Leuten auf der Straße, die bei uns partout nicht mehr reinpaßten.
Noch eine Rikschafahrt später waren wir im Dorf Furong, das auch ziemlich alt und nett war, aber noch nicht so geschäftstüchtig wie Cangpo. In Furong gabelte uns ein örtlicher Führer auf, der uns im Dorf einiges zeigte und erklärte, wenn auch in einem unverständlichen Chinesisch. Dann stellte sich heraus, daß er uns eigentlich noch woandershin führen wollte, zu einem Wasserfall in der Nähe. Wir sagten ok, und gingen alle zusammen zur Hauptstraße. Während wir auf den Bus warteten, waren Jörg und ich uns auf einmal nicht mehr so sicher... der Typ war schon nett, aber auch ein bißchen komisch. Und ob wir genügend Zeit hätten? Als wir dann im Bus (für eine Strecke die wir gestern schonmal in die andere Richtung gefahren waren) auf einmal 5 Yuan statt 2 bezahlen mußten, wollten wir lieber zu unserem eigentlichen Plan zurückkehren. Wir kauften uns vom Führer mit ein bißchen Geld und viel Dank für die Erklärungen in Furong los.
Nun waren wir wieder am Löwenfelsen, wie wir vorhatten, und unsere Fahrräder waren sogar noch da. Erstmal machten wir eine schöne Bambusfloßfahrt auf dem Nanxi-Fluß, die uns auch erst richtig zeigte, was da eigentlich der Löwe sein soll. Danach aßen wir unter einem Haufen von Chinesen Mittag, die schon zu den Trinkspielen übergegangen waren. Achja, und ein örtliches Huhn wurde extra für uns getötet. Sogar der Kopf samt Hahnekamm, die leckeren Eingeweide und eine Kralle waren komplett mit auf dem Teller. Na, der Hahn hatte bestimmt gestern zu laut gekräht. Inzwischen war zum ersten Mal die Sonne richtig herausgekommen., so tolles Wetter hatten wir seit der Zugfahrt aus Shanghai nicht mehr! Tolles Wetter zum Radfahren, dachten wir, also Jacke aus und los. Jörg mußte sein Fahrrad gleich erstmal herrichten lassen, aber wie sich herausstellte war das eh unnötig, denn zumindest der Sattel war einen Hügel später wieder unten. Diesmal ging das Radfahren viel leichter und schneller. Es ging öfter bergab, und wir kannten den Weg schon, und wir hatten keine Furcht nicht anzukommen, da wir ja einfach mit einem der Busse weiterfahren könnten. Die Fahrt war sehr schön. Gegen Schluß wurde aber plötzlich Wahnsinnsverkehr, sogar Stau. Und wir mußten uns durch die Abgase schlängeln. Die hatten uns so benebelt, daß wir uns zankten... Gut, daß wir dadurch noch kräftiger in die Pedale treten konnten. Vielleicht hat Jörg das Treten etwas übertrieben, aber sein Fahrrad war ja sowieso ein bißchen kränklich, jedenfalls, verlor er kurz vor Yongjia, unserem Etappenziel, den Bolzen der Pedale. Ein anderer Fahrradfahrer wollte partout nicht glauben, daß wir kein Problem hätten, und blieb in der Nähe, während wir den Rest nach Yongjia rollten. Was tun? [wie kriegt man hier nur kyrillische Buchstaben rein?] Immerhin waren wir von der Frage entbunden, ob wir noch den Rest nach Oubei (bei der Fähre nach Wenzhou) weiterfahren sollten. Kurzerhand fragten wir den Burschen, ob er nen Ort wüßte, wo wir die Fahrräder verkaufen könnten. Unser Preis von 50 Yuan gefiel ihm offensichtlich, denn er führte uns einmal durch die ganze Stadt zu seinem Freund, der das andere nehmen sollte, das eine kaufte er selbst. Super gelöst! Ab nach Oubei. Mit der Fähre nach Wenzhou (die Fähre! oje. war wahrscheinlich für die Hälfte der Leute berechnet), mit dem Bus zum Bahnhof. Und da - oh Wunder! - gab's noch Karten für den Nachtzug nach Shanghai um acht. Supi! Wir aßen noch in einem unscheinbaren Restaurant am Bahnhof -- und waren ernsthaft überrascht. Das Essen war nicht nur sehr günstig, sondern auch ausgesprochen lecker. Die Yuxiang Rousi!!! Hmmmmm.
Dann im Zug kam endlich "der Organisator" zum Zug (?), denn Jörgs und mein Bett waren nichtmal im selben Wagen. Mit zweimal Tauschen gings dann, und nun liegen wir direkt nebeneinander. Den Tofu des Nachbarn hab ich auch schon überstanden, obwohl der unlecker nach Fisch schmeckte. Ich darf mich sogar aus seinem Koffer bedienen, wenn ich noch mehr möchte - na ich glaub nicht. =) Gute Nacht!
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April 2002
5. April 2002
Sooo, nun sitze ich in Beijing in meinem neuen Zimmer und habe schon die erste Woche hinter mir. Wow bin ich geschafft. Aber gleich mehr.
Im März war ich in Boston bei Ulf, ziemlich genau einen ganzen Monat lang. Das war sehr schön, wenn auch wegen bürokratischem Kram für China nicht so ganz erholsam, jedenfalls im Nachhinein betrachtet. Von Amerika hab ich auch ein paar Fotos -- nicht so aufregende, aber ich stelle sie bestimmt bald mal ins Netz.
Von Boston flog ich wieder zurück nach Shanghai, dort hatte ich dann noch ein paar Tage, um ein paar Leute wiederzusehen, vor allem Lucy und Werner. Das war sehr schön! Aber dann gings von Shanghai weiter nach Beijing, mit dem Bus, weil ich irgendwie dachte das wäre mit dem Gepäck am einfachsten. Es war irgendwie auch einfach, obwohl ich schon ganz schön ins Zweifeln kam, weil jeder mich entgeistert anschaute wenn ich vom Bus zu reden begann. Ich hatte einen großen Rucksack, einen riesigen Koffer und eine noch riesigere Tasche auf Rädern, und einen kleinen Rucksack mit Zeug für einen Tag. Mehrmals hab ich das sogar allein bewegt, dabei hatte das zusammen bestimmt mehr als 60 Kilo. Allerdings brach ich nach wenigen Metern schon in Schweiß aus. =) Am Bus meinte einer der (schien mir) Zuständigen, ich müßte bei so vielen Taschen Gepäckfahrscheine kaufen. Er ist dann sogar noch für mich fragen gegangen, wie ich das machen soll -- und kam zurück und meinte, das ginge schon klar, ich sei ja ein "ausländischer Freund" (das ist die gängige Bezeichnung, wenn die Chinesen nicht unter sich mit diesem leichten Schimpfwort "laowai" -- alter Außenseiter oder so -- reden). Mir sollte es recht sein; ich zog meine Schuhe aus (mußte ich auf einem roten Teppichlein vorm Einsteigen und los gings. Bus war ganz ok, ich war eh so müde, daß ich fast die ganze Zeit geschlafen habe. Daher hat mich nicht so gestört, daß mein Bett zu niedrig zum Sitzen war. Immerhin wars ein Bett, und ich hab mich die ganzen 16 Stunden nicht bewegt.
In Beijing trieb ich mich einen Tag rum, weil ich erst am Abend in meine neue Wohnung konnte. Die Mitbewohner waren mit ihrer Begutachtung offensichtlich ganz zufrieden, ich konnte gleich hier schlafen (zum Glück). Nu hab ich ein Zimmer, was zwar klein ist aber ganz ok. Ich überlege immer, ob ich mir noch ein Regal oder so besorgen soll... Eigentlich bräuchte ich eins, aber für 4 Monate lohnt sich das dann auch nicht so richtig. Vielleicht kann ich es rausschieben bis es wirklich unnütz ist! =)
Tja, und seitdem... hab ich immer gearbeitet. Also eigentlich hab ich auch wieder nix wirklich sinnvolles gemacht (außer ein klitzekleines Programm für ein Mädel im Büro geschrieben), aber ich bin früh aufgestanden und so spät wiedergekommen, daß ich auch nur noch schlafen konnte. Die Leute an der Uni sind alle sehr sehr nett. Leider läuft alles auf Chinesisch, auch wenn viele mit denen ich zu tun habe wenigstens die Fachbegriffe auf Englisch können. Naja, ich kann die Fachbegriffe auf Chinesisch nicht, also ist alles doppelt (achwas, fünffach mindestens) schwer. Ich hab in der Woche immerhin schon geschafft mir ein Fachwörterbuch zu besorgen. =) ... ich glaub jetzt werd ich grade etwas ausschweifend. muß wohl daran liegen, daß ich so lange kein deutsch mehr geredet hab. bei dem chinesisch immer werd ich ein ganz stiller mensch -- und das mir! =) ... Ums kurz zu machen, was ich so genau tun werde ist auch noch nicht klar, ich darf es mir (leider?) selbst aussuchen. Ich finde das sehr schwer, vor allem weil meine erste Idee offensichtlich nicht so gut ankam. Hm hm. Am Montag muß ich wohl nochmal mit dem Typen reden, der sich jetzt netterweise meiner angenommen hat, und ein paar Vorschläge machen.
Nur noch kurz was zur Arbeitsmoral: Ist ja alles unglaublich hier. Also wenn ich um kurz nach acht komme und um neun oder zehn gehe, ist das Büro immer schon oder noch voll. Wahnsinn. Die Leute scheinen echt kein Zuhause zu haben... Bzw. Hou Mingqiang hats mir erzählt, in seinem "Zuhause" (Wohnheimzimmer) wohnen sechs Leute. Kein Wunder. Selbst am Samstag sind sie da, und Samstag Nachmittag gehts dann für einen Tag auf Besuch zu den Eltern (so diese in Beijing sind). Die Arbeitsatmosphäre ist sehr nett, sehr interaktiv. Ich finde ja fast, daß in den Seminaren ein bißchen zuviel diskutiert wird... =) Naja, aber ich verstehs ja auch manchmal nich so gut. Aber die Vorträge helfen auch nicht beim Verständnis: Folien wo ganze Texte draufstehen, oder gleich die Word-Dokumente zum Vorlesen. Heute haben welche dabei sogar immer die Tafel angeschaut, weil sie davon ja ablesen mußten. Und eins ist noch besser in Deutschland: unsere Mittagszeit war doch idyllisch. So mit alle treffen sich an einem Mensatisch und schwatzen ewig... Schön. Hier ist essen eine Aufgabe und muß schnellgehen. Manchmal geht ein Seminar vor lauter Diskutieren aber auch so lange, daß man hinterher zusammen essen gehen muß, damit man noch was kriegt (in den Studentenmensen ist dann schon fast alles leer) -- dann kann's auch richtig nett sein, trotz Hetzerei.
Nu reichts aber mit dem Schwatzen. Eins noch: ich hab eine neue Adresse, die steht auf der China-Hauptseite. Schreibt mir, ich freu mich. Und noch hats ein paar Monate Zeit zum Ankommen, die werden nämlich auch gebraucht. Also überlegt Euch schonmal Sommergrüße und schreibt! =) Bin nämlich wieder bißchen einsam in der großen Stadt unter Millionen Chinesen.
11. April 2002
Heute war ich mal nicht die einzige Ausländerin Institut, es gab eine Führung für und einen Vortrag von einem Deutschen, der Terminologie macht. Ein wichtiger Mensch, Christian Galinski, u.a. bei ISO (so wie ~Standard). Das Gefühl war gut, denn alles war auf Englisch und ich hatte die wenigsten Sprachprobleme von allen =). Die Themen waren letztendlich auch spannend - Standardisierung. Außerdem hatte ich so endlich eine gute Einführung ins Institut, v.a. die Demos aller wichtigen Systeme. Und wieder ein lecker Mittagessen. =)
Wenn ich arbeite (mach ich ja zur Zeit fast immer, jedenfalls verbringe ich etwa 12 Stunden auf Arbeit), bereite ich grade einen Vortrag für Dienstag vor. Ich will über meine Arbeit in Shanghai reden und über das Thema, das ich mir jetzt ausgesucht habe (Template Merging). Zu dem Thema was zu _tun_, dazu bin ich noch kaum gekommen. Auch für ein anderes Thema, das ich schon länger mache, hatte ich noch keine Zeit. Tja. Dafür ist der Vortrag jetzt bis auf die Demo von dem Shanghaier System fertig. Ich hoffe, das wird heute noch was. =)
Die Beida hat einen großen Park, mitsamt Pagode und See. Da lieg ich nun und genieße meine Mittagspause (komme mangels Schlüssel eh nicht ins von mittagsschlafenden Kollegen verlassene Büro) -- und beobachte die knutschenden studentischen Pärchen, die sich auf der Bank gegenüber ablösen. Scheint so ne Art Schichtsystem zu sein...
13. April 2002
Ich bin sooooo wütend!!! Vorhin wurde mir aus meiner geschlossenen Handtasche beim Fahrradfahren mein Portemonnaie gestohlen. Echt unglaublich. Geld war nicht allzu viel drin, aber eine EC- und Visakarte, und anderer Kram von hauptsächlich persönlichem Wert. So ein Mist. Gesperrt hab ich die Karten natürlich gleich, aber nun muß ich ja wieder neue bekommen, damit ich wieder an Geld komme. Ärger. Naja und die ganzen Telefonnummern, die da drin waren, sind wohl auch für immer weg. Grrr... -- Was soll's, sich ärgern hilft auch nix. Immerhin ist mein Paß nicht weg, und ich war schlau genug einige Dinge zuhause zu lassen, wie meinen Führerschein und die EC-Karte für ein anderes Konto. So bin ich also zum Glück nicht plötzlich völlig blank.
Hab ich eigentlich schon erzählt, wie ich hier wohne? Ein bißchen, wa? In meinem Haus gibt es im Fahrstuhl den ganzen Tag ein Mädel, das die Knöpfe bedient. Wirklich. Muß so ziemlich der langweiligste Job sein... Die müssen bis abends 12 Uhr schuften.
Das mit dem Klauen ist so ne Sache... Hier in dem Gebiet wo ich wohne, wird viel gebaut. Und daher sind hier viele ländliche Chinesen, die nach Beijing als (illegale) billige Arbeitskräfte kommen. Der Staat hat ein gespaltenes Verhältnis zu den Leuten, weil er sie einerseits auf dem Bau und an anderen Stellen braucht, weil sie so schön billig sind, andererseits ist Migration in China nicht erlaubt, weil befürchtet wird, alle würden in die großen Städte gehen und dort die Ressourcen aufbrauchen. Die Bauarbeiter (und teilweise ihre Familien) wohnen hier gleich neben den schicken Apartmentblöcken in Wellblechhütten usw. Schätze mal, daß sich da auch ein paar schwarze Schafe drunter finden. Eigentlich ist China ja ziemlich sicher -- dachte ich immer. Na sowas kann einem wohl auch überall passieren.
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